Heile SIMONA-Welt? Wenn man es nicht es nicht aus internen Quellen besser wüsste, könnte man meinen, der Deal mit dem türkischen Unternehmen hätte für die Mitarbeiter absolut keine oder nur vernachlässigbare Konsequenzen. Zumindest in der Tageszeitung liest sich der Artikel wie ein Coup, von dem unter den Strich nahezu alle profitieren. Doch weit gefehlt. Der hat gravierende Auswirkungen auf den Mitarbeiterstamm in den Fertigungshallen. Um dies voraussagen zu können, braucht es kein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium. Dafür genügt einzig der gesunde Menschenverstand. Mit 160 Zeilen wird Simona für Weitsicht und unternehmerisches Geschick regelrecht gefeiert. Boah, mehr Hofberichterstattung geht nicht! Die Zeitung transportiert alles, was Vorstände und Presseabteilung gerne lesen. Es wirkt wie eine Huldigung XXL. Zugegeben, der eine kleine Satz, wonach man den zwangsweise Jobabbau in der PVC-Schaumplatten-Produktion im Stammsitz größtenteils sozialverträglich durch Pensionierungen oder Fluktuation erreichen wolle, stört ein wenig die positive Außendarstellung. Aber selbst der liest sich recht nett. Ist er aber nicht. Während in den Teppichbodenabteilungen vermutlich die Sektkorken knallten, dürfte zeitgleich in den Produktionshallen Frust und Unsicherheit geherrscht haben. Feierlaune dort, Fehlanzeige! Es jubelt sich halt nur bedingt, wenn man um seine Existenz bangen muss. Mutmaßlich werden 20 Prozent der Belegschaft nicht mehr benötigt. Keine Frage, dieses Ziel lässt sich nur über zusätzliche Kündigungen erreichen.
Wie viele SIMONIANER betroffen sein werden, darüber stand offenbar nichts in der Unternehmens-Pressemitteilung. Insider, die dem Blog namentlich bekannt sind, gehen von bis zu 50 Mitarbeitern aus, die kurzfristig nicht mehr benötigt werden. Boah, das wäre eine mehr als stattliche Zahl. Super, wenn es weniger wären. Hoffentlich dementiert das Unternehmen dieses Annahme aus Arbeiterkreisen. Dass freilich Arbeitsplätze wegfallen, ist so sicher wie das berühmte Amen in der Kirche. Sind detaillierte beziehungsweise kritische Nachfragen zu diesem sensiblen Thema unerwünscht? Schaut ganz danach aus. Vielleicht zieht der Öffentliche ja noch was nach. Muss er irgendwie auch, um glaubwürdig zu bleiben. Der ist ja nicht der Führungsetage, sondern seinen Lesern verpflichtet. Und die erwarten nicht einseitige, vielmehr vollumfängliche Berichterstattung. Überhaupt, wie anders ist zu erklären, dass das Blatt nicht an die Aussagen der Vorstände aus dem Frühjahr erinnerte, wo der alleine schon Denkweisen in Richtung Türkei vehement dementierte. Hatte man besseren Wissens den damaligen Schreiberling angeschmiert? Finde den Fehler? Wieso gerade jetzt eine Kehrtwende hinlegen, die, wenn man ehrlich ist, keine ist? Wäre nicht eine andere, mehr mitarbeiterbezogene Herangehensweise, nicht die ehrlichere Option einer Darstellung gewesen?
Blöd, öffentliche Konfrontation mit einem gebrochenen Versprechen ist bei Vorständen halt nicht unbedingt gewollt. Eine damit einhergehende Bloßstellung schon gar nicht. Lieber den Ball flach halten und nicht so viel Staub aufwirbeln. Und wenn, dann nur seicht und häppchenweise. Da unterliegt die Zeitung natürlich gewissen Zwängen. Logisch, das Verhältnis beruht auf Gegenseitigkeit. Der Blog hingegen ist unabhängig. Der muss mit seiner Einschätzung nicht hinter dem Berg halten. Daher, stets Feuer frei! Die Leser hätten sich sicherlich auch mehr Aufklärung hinsichtlich eines Partners gerade aus der Türkei gewünscht. Warum muss das Unternehmen ausgerechnet in einem Land aktiv werden, dass nicht mehr weit davon entfernt ist, auf der Liste der Schurkenstaaten geführt zu werden? Nun, wen interessieren schon Moral und Werte, wenn es um Profitstreben geht. Die Aktionäre haben nur die Kurse im Blick.
Logisch, SIMONA muss sich am Markt orientieren und sich auf dem auch behaupten. Die Konkurrenz ist groß. Das beinhaltet allerdings nicht, auf dem weiteren Weg zur Spitze, die Mitarbeiter nicht vollumfassend mitzunehmen, schlimmer, in den Allerwertesten zu treten. In punkto Türkei-Deal hat die Führung das jedenfalls nicht getan. Im Gegenteil: Man hat die besseren Wissens regelrecht belogen und in Sicherheit gewogen. Klingt hart, ist aber nichts anderes als die reine Wahrheit. Pfui, Vertrauensbasis geht anders. Welche Rolle spielte der Betriebsrat bei dem Kauf? War der im Vorfeld eingeweiht? Und wenn ja, warum hat der so lange geschwiegen? Trägt der am Ende sogar eine Unternehmensentscheidung mit, bei der es vielen Kollegen an den Kragen geht? Fragen über Fragen! Ganze Zeitungsseiten ließen sich mit dem Thema füllen.
Deckel drauf, der Drops ist gelutscht? Schaut ganz danach aus. Der Aufschrei wird verstummen und die Lage sich entspannen. In ein paar Monaten fragt keiner mehr nach den Auswirkungen. Höchstens diejenigen, die beim Arbeitsamt aufschlagen müssen. Und irgendwann kommt der Vorstand mit dem nächsten Coup um die Ecke, der dann vielleicht wieder Arbeitsplätze kosten wird? Zukunftsmusik! Man darf jetzt schon gespannt sein, inwieweit sich die Expansion intern auswirken wird. Im Gegensatz zum jubelnden Wasserkopf, dürfte die Stimmung auf der unteren Ebene jedenfalls im Keller sein. Warten wir mal die weiteren Veröffentlichungen und Abwicklungen ab. Der Blog verfolgt die weiteren Schritte jedenfalls mit großem Interesse. Der gibt gerne mal das Sprachrohr. Der ist gut informiert und der wird weiter darüber berichten.