
Jetzt also doch! SIMONA lagert Teile ihrer Plattenproduktion in die Türkei aus. Entgegen aller früheren Bekundungen hat das Kirner Unternehmen 70 Prozent an dem türkischen Unternehmen MT Plastik AS erworben. Noch im Frühjahr hatte der Vorstand diesbezügliche Planspiele vehement dementiert. „Durch die nun angestrebte Akquisition planen wir die Produktion von Teilen dieses Produktportfolios in die Türkei zu verlegen“, heißt es nunmehr in einer neuerlichen Rundmail. Davon verspreche man sich eine bessere Kostenstruktur, höhere Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit für dieses preissensible Geschäft. Die Verlagerung würde sich über einen Zeitraum von zwei Jahren erstrecken und damit auch die Personalkapazitäten am Standort Kirn betreffen. Ein Satz mit weitreichenden Folgen für die betroffenen SIMONIANER in den Produktionshallen am Stammsitz Kirn? Übersetzt heißt das nichts anderes: „Ihr werdet nicht mehr benötigt“. Sicherlich werden nicht alle um ihren Arbeitsplatz bangen müssen, aber ein Großteil gewiss. Und dann kommt der typische Satz, der in solchen Schreiben immer auftaucht: „Wir sind daher mit dem Betriebsrat in Gespräche für einen Interessenausgleich und Sozialplan eingetreten und werden die notwendigen Anpassungen sozialverträglich gestalten“. Im Klartext, wir lassen Euch beim Gang in die Arbeitslosigkeit nicht im Stich! Bei derart warmen Worten geht es den Mitarbeitern doch gleich viel besser. Mehr noch: Mögliche Wackelkandidaten und spätere Geschasste werden sogleich Hüpfen vor Freude, wenn sie ihre Kündigung bekommen.
Auf dem angestrebten Weg zur Nummer eins im Wettbewerb für PVC Schaumplatten sei dieser Schritt unbedingt notwendig. Da müssen einige Kirner Mitarbeiter eben Opfer bringen. So funktioniert das Geschäft nun einmal. „Die SIMONA plant NICHT Teile ihrer Plattenproduktion in die Türkei auszulagern“, hieß es noch Anfang des Jahres. Es war seinerzeit schon mehr als nur ein übliches Gerücht, das die Runde machte. Entsprechende Hinweise kamen nämlich aus dem Pool der Simonianer selbst. Durchatmen war angesagt, weil das Unternehmen diesbezügliche Pläne sogleich vehement verneinte. Pustekuchen! Ein Trugschluss, wie sich nunmehr herausstellt. Durchatmen war einmal. Die Skepsis bei denjenigen, die Maschinen am Laufen halten, war also durchaus berechtigt. Ist halt immer was dran an Gerüchten. LEIDER.
Wahr ist, der Stammsitz der SIMONA ist gleichzeitig der Ursprung des Verbundprinzips, das hier von Kirn aus entwickelt und kontinuierlich optimiert wurde. Kirn ist ohne die SIMONA nicht vorstellbar. Mehr noch: Das Unternehmen ist das Herz der Wirtschaftskraft in der gesamten Region. Wahr ist aber auch, dass der Global-Player sicherlich schon damals wusste, dass die Türkei-Option gezogen wird. Und dennoch hat man der Presse uneingeschränkte Treue zum Standort Kirn in den Block diktiert. Finde den Fehler? Hat das Unternehmen also hinsichtlich der Platten-Produktion gelogen? Das werden die Verantwortlichen sicherlich vehement verneinen, aber die Beweislast ist erdrückend. Wahrscheinlich wird man zugeben sich nur geirrt zu haben. Klänge ja auch viel versöhnlicher und nicht so gemein und berechnend. Irgendwann wird die Pressemitteilung ja rausgehauen werden.
Möge sich vorab schon jeder selbst ein Urteil über die Vorgehensweise bilden. Hilft ja alles nichts. So viel steht fest, Teile der Produktion werden in die Türkei verlagert. Wie weitreichend die Folgen für die Mitarbeiter hier sind, werden die kommenden Wochen und Monate zeigen. Unruhe und Unsicherheit werden sich breit machen. Ausgerechnet vor Weihnachten! Ausgerechnet die Türkei? Warum gerade in einem Land aktiv werden, welches nicht gerade durch politische Stabilität auf sich aufmerksam macht. Es ist wie immer, Profitstreben wird in Chefetagen gerne mal über Moral gestellt.
Rückblick: Als der Öffentliche Anzeiger im Rahmen eines Ortstermins den Vorstand mit Gerüchten konfrontierte, wonach das Unternehmen eine teilweise Auslagerung der Plattenproduktion in die Türkei plane, folgte reflexartig das Dementi: „Wir würden doch hier nicht ein so großes Investitionspaket schnüren, wenn wir nicht an den Standort glauben würden,“ erteilte Finanz-Vorstand Michael Schmitz entsprechendem Gerede eine Absage. DENKSTE! Von wegen! Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, ist man jetzt geneigt regelrecht hinauszuschreien. Von wegen, es sei nichts dran an einem Engagement in der Türkei? Nach der Aussage des Finanz-Vorstandes, stand kein Wegfall der Beschäftigung wegen geplanter Verlagerung ins Haus. Kurzum, die Jobs bleiben in Kirn! Alle!
Die sensiblen Mitarbeiter-Antennen empfingen nicht die falschen Signale. Im Gegenteil: Die schalteten niemals ab. Das Dementi aus der Vorstandsetage entpuppt sich jetzt als eine „Täuschung“! Eine Art vorübergehende Beruhigungspille, wohl wissend, dass man hinter verschlossenen Türen völlig andere Pläne forciert. Der Belegschaft hat man etwas vorgemacht! Pfui, dafür sollten sich die Vorstände in die Ecke stellen und schämen. Das Türkei-Gespenst geisterte immer schon durch die Hallen. Jetzt zeigt es plötzlich ihre kompletten Konturen. Erfahrungsgemäß tragen immer die Mitarbeiter die Folgen von Veränderungen. Jetzt werden die vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Belegschaft erwartet nicht eine komplette Auslagerung, sondern befürchtet die lediglich in Teilen. Und sie befürchtet harte Entscheidungen und Entlassungen. Wird es einen Aufschrei in der Öffentlichkeit geben? Ist ein Unternehmen noch verlässlich, das erst Treue und so etwas wie Arbeitsplatzgarantie schwört, um danach eine komplette Kehrtwende hinzulegen? Die SIMONIANER werden sich ihre eigene Meinung sicherlich schon gebildet haben.